„ZWJCKAW. Anno. M.D.XXIII.“ – Die Anfänge des Buchdrucks in Zwickau 1523

veröffentlicht am: 21.11.2023

Das Kulturamt informiert:

Nach „500 Jahre Zwickauer Schulordnung“ kann die Ratsschulbibliothek Zwickau noch mit einem weiteren Jubiläum aufwarten: „500 Jahre Buchdruck in Zwickau“ können in diesem Jahr gefeiert werden. Aus Anlass dieser beiden Jubiläen gibt es am Mittwoch, dem 13. Dezember um 18.30 Uhr im Lesesaal der Bibliothek einen Vortrag dazu. Dr. Lutz Mahnke. Leiter der Ratsschulbibliothek, referiert unter dem Titel: „500 Jahre Buchdruck in Zwickau und 500 Jahre Zwickauer Schulordnung“. Um Voranmeldung wird gebeten.

Vor 500 Jahren begann in Zwickau ein neues Zeitalter – der aus Augsburg stammende Johann Schönsperger schloss mit dem Zwickauer Rat einen Vertrag über die Errichtung einer Druckerei und Papiermühle in der Stadt. Bereits vor Unterzeichnung des Kontraktes am 26. Juni 1523 erschienen bei Schönsperger vier Drucke. Im ersten Jahr verlegte der Augsburger insgesamt 38 Werke, u.a. die erste gedruckte Zwickauer Schulordnung von Leonhard Natter, zahlreiche Werke Martin Luthers, Zwickauer Geistlicher und Hans Sachs‘. Die „Zwickauer Schulordnung“ ist die wohl älteste gedruckte dieser Art in Sachsen und eine der ältesten im deutschsprachigen Raum. In der Ratsschulbibliothek Zwickau sind noch heute aus diesem ersten Jahr der Offizin 24 Drucke vorhanden.

Die Anfänge des Zwickauer Buchdrucks

1520 erbte der aus Augsburg stammende Johann Schönsperger d.J. (gest. nach 1549) von seinem Schwager Mattes Bamberger (gest. 1520), einem wohlhabenden Zwickauer Bürger, ein Haus am Markt, Äcker, Wiesen, ein Vorwerk, eine Scheune und diverse Bergkeller in Zwickau. Er blieb Bürger von Augsburg, scheint aber seinen Wohnsitz in der Muldestadt genommen zu haben. Johann Schönsperger d.J. entstammte einer angesehenen und weit über die bayerischen Grenzen hinaus berühmten Druckerfamilie und betrieb mit seinem Vater Johann Schönsperger d. Ä. (um 1455-1520/21) dort eine Druckwerkstatt.

Im Jahre 1523 reifte in Schönsperger d. J. der Wunsch, in Zwickau eine Druckerei zu gründen. Wahrscheinlich auch, weil seine Augsburger Unternehmungen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten waren. Der Rat beschloss „Montags nach viti Anno [15]xxiii“ (22. Juni 1523) mit ihm einen Vertrag aufsetzen, den beide Seiten am 26. Juni 1523 unterzeichneten. So durfte er demnach nicht nur eine Druckerei für Bücher und diverse Stoffe errichten, sondern erhielt auch die Genehmigung, eine neue Papiermühle zu bauen. Bereits vor der Ausfertigung und Unterzeichnung des Vertrages ließ Schönsperger mehrere Werke in der Schwanenstadt drucken. Das erste in Zwickau erschienene Werk war der Nachdruck einer Lutherschrift mit dem Titel: „Das eyn Cristliche versamlung odder gemeyne: recht vn macht habe: alle lere tzu vrteylenn: vnd lerer zu beruffen. eyn vnd ab zu setzen …“. Im Impressum steht: „Getruckt in der Fürstlichen Stadt Zwickaw durch Jorgen Gastel / des Schönßpergers Diener / am Montag vor dem Heyligen Pfingstag 1523“. Schönsperger hatte aus Augsburg seinen „Diener“ Jörg Gastel mitgebracht und ihn zum Geschäftsführer der Zwickauer Druckerei berufen. Vor der Vertragsunterzeichnung fertigte Schönsperger 1523 insgesamt fünf Werke.

Anfangs druckten Schönsperger/Gastel hauptsächlich Werke der reformatorischen Polemik und stellten sich in den Dienst des „neuen“ Glaubens. Im ersten Jahr seiner Offizin 1523 brachte er ab 18. Mai 38 Werke und 1524 insgesamt 47 Drucke heraus. Die Ratsschulbibliothek besitzt von den 1523 erschienen Erzeugnissen 24 und aus dem Jahre 1524 insgesamt 18. 

In der Schönsperger-Presse erschienen im Gründungsjahr aber nicht nur sechs Werke Luthers (1483-1546) und drei des Baseler Reformators Johannes Oekolampad (1482-1531), sondern auch zahlreiche Schriften von Zwickauer Predigern oder in Zwickau gehaltene Predigten. Allein vom ehemals Zwickauer Geistlichen Kaspar Güttel (1471-1542) druckte man vier Predigtsammlungen. Güttel hatte auf Wunsch des Zwickauer Rates seine in Zwickau gehaltenen Predigten zusammengefasst. 

Auch Werke des Meistersingers Hans Sachs in Zwickau gedruckt

Im Jahre 1523 erschien neben einem Druck gegen das Laster des „Zutrinkens“ wohl auch eines der prägendsten literarischen Werke der frühen Reformation – Hans Sachs‘ „Wittembergisch nachtigall“. Das allegorische Spruchgedicht ist ein Loblied auf Martin Luther und seine Lehre. Luther als Nachtigall und Verkünderin der neuen Lehre sitzt hoch oben in einem Baum und die unten versammelten Tiere (katholische Geistliche und eine Schafherde) – Löwe, Esel, Wildschwein, Bock, Kater, Schlangen etc. können nur zuhören und nichts tun. Sachs hatte einen riesigen Erfolg mit dem Gedicht – allein 1523 erschienen sechs Auflagen. Es beginnt mit den Worten: „Wacht auff es nahet gen dem tag“, die Richard Wagner 1868 im berühmten „Wach-auf-Chor“ seiner Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ fast wortwörtlich zitiert.  

Die Drucker Schönsperger, Gastel, Lurtz, Kantz und Meyerpeck

Die finanziellen Belastungen für Schönsperger scheinen im ersten Jahr enorm gewesen zu sein, denn schon am 31. Dezember 1523 schließt er einen Genossenschaftsvertrag mit dem Leipziger Papierhändler Georg Lurtz über sechs Jahre und hälftiger Teilung von Gewinn und Verlust. Jörg Gastel verließ die Druckerei. Am Silvestertag 1524 verkaufte Schönsperger die Druckerei, die Papiermühle und das Haus mit allem Inventar an Georg Lurtz. Jörg Gastel wurde wieder Geschäftsführer. In den fünf Monaten des Besitzes durch Lurtz erschien u.a. das Pestbüchlein des Zwickauer Arztes Sixtus Kolbenschlag: „Eyn seer tröstlich vn kurtz Regiment wider die schweren vn erschrecklichen kranckheyt der Pestilentz“.

Bereits am 30. Mai 1525 machten Schönsperger und Lurtz alles wieder rückgängig und Schönsperger wurde wieder Besitzer. Im Mai 1525 bat der in Altenburg ansässige Drucker Gabriel Kantz den Rat um Erlaubnis, eine Druckerei in Zwickau gründen zu dürfen. Noch lehnte der Rat sein Ersuchen ab. Zum gleichen Zeitpunkt gründete der ehemalige Geschäftsführer von Schönsperger und Lurtz, Jörg Gastel, einen Handel mit Leinwand und Barchent und druckte Tapeten. Diesen scheint er bis Ende der 1530er Jahre betrieben zu haben, floh dann aufgrund angehäufter Schulden nach Glauchau, um sich schließlich in Leipzig 1541 als „Jörg Gastel von Glauchau, der die Tapeten auf Leinwand abdruckt“, niederzulassen.

1526 firmierte Gabriel Kantz auf dem „Schönen Anger“ (heute Teil der Katharinenstraße) als Drucker. Der Rat hatte sich wegen der Schulden, die Schönsperger offenbar hatte, entschlossen, entgegen des Vertrages und des zugesicherten 20jährigen Verbotes einer zweiten Druckerei in Zwickau, diese zu genehmigen. 

Nur ein Jahr später starb Gabriel Kantz am 5. September 1529 am englischen Schweiß. Seine Witwe Sophie heiratete Wolfgang Meyerpeck Ende des Jahres. Er übernahm auch die Druckerei und gab von 1530 bis 1551 weiter in Zwickau Bücher heraus. 1551 siedelte Meyerpeck mit seiner Druckwerkstatt nach Freiberg über. Mit ihm endete die erste Phase der Zwickauer Drucktradition. Erst 80 Jahre später, im Jahre 1630, begann mit Melchior Göpner (1586-1669) ein neues Druckzeitalter in der Muldestadt.

Druck von Predigten des Zwickauer Pfarrers Kaspar Güttel durch Johann Schönsperger, Zwickau 1523
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